Jülicher Risikoforscher vermitteln im Handy-Streit

Vorsorgekonzept für Bayrisches Staatsministerium entwickelt

[11. Oktober 2001]

Kann durch Mobilfunk Krebs entstehen? Nach wie vor gibt es keine gesicherten Beweise für gesundheitliche Gefahren, doch die Effekte der verwendeten Hochfrequenzstrahlung veranlassen zu Fragen nach den Risiken. Eine Vorsorge erscheint ratsam, und die Besorgnis in der Bevölkerung ist groß. Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich entwickelten zu den möglichen Gefahren des "Elektro-Smogs" Vorsorgemaßnahmen, die den Gesundheitsschutz, aber auch Konflikte zur Standortfrage berücksichtigen.

Das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen hatte die Experten der Programmgruppe Mensch, Umwelt, Technik (MUT) des Forschungszentrums Jülich beauftragt, ein Vorsorgekonzept gegen die möglichen Risiken des Mobilfunks zu entwickeln.

Immer dichter wird das Netz von Mobilfunksendern in Deutschland. Bis zu 40.000 zusätzliche Sendeanlagen müssen möglicherweise bundesweit in Zukunft für den Aufbau des UMTS-Netzes errichtet werden. Das heizt die Stimmung in den Bürgerinitiativen an, die sich gegen die Errichtung von Sendemasten in ihrer Nachbarschaft zur Wehr setzen. Sie haben Angst um ihre Gesundheit und wollen mitreden, wenn Mobilfunkunternehmer auf der Suche nach neuen Standorten sind. Die Netzbetreiber stehen dagegen unter dem Druck, die Bauvorhaben möglichst schnell umzusetzen. Schließlich geht es um viel Geld. "Politiker stehen oft mit dem Rücken an der Wand, wenn sie zwischen Bürgerinitiativen und Mobilfunkbetreibern vermitteln müssen", erklärt Holger Schütz von MUT.

Die Jülicher entwickelten vier Maßnahmenpakete zur Vorsorge, die helfen sollen, Konflikte zwischen Bevölkerung, Politikern und Mobilfunkbetreibern zu verringern. Dabei berücksichtigten sie die gesundheitliche Vorsorge ebenso wie ein mögliches Mitspracherecht der Bevölkerung bei der Standortfrage. Auch die möglichen sozialen und ökonomischen Folgen dieser Maßnahmen selbst wurden bedacht.

Das Bayrische Ministerium entschied sich letztendlich für das Paket "Umsichtige Vermeidung". Dieses Paket umfasst unter anderem den Vorschlag der Jülicher, die Strahlungsintensität der Sender kontinuierlich zu messen. 600.000 Mark ist den Auftraggebern aus Bayern dieses "Monitoring" wert. Rund 200 Standorte in Bayern werden nun im Rahmen dieser Messkampagne untersucht. Aber auch andere vorgeschlagene Maßnahmen aus Jülich finden Beachtung: So sollen Standortalternativen geprüft werden, um keine Sendeanlagen in sensiblen Bereichen um Schulen und Kindergärten errichten zu müssen.

Bei Verdacht auf Risiken, für die es noch keine wissenschaftlich gesicherten Beweise gibt, schreibt der Gesetzgeber das Vorsorgeprinzip vor. So existieren zurzeit vom Bund festgelegte Grenzwerte, die aus den thermischen Wirkungen abgeleitet wurden und vor den derzeit als gesundheitsschädlich nachgewiesenen Effekten der Hochfrequenz-Strahlung schützen sollen. Unklar ist jedoch, ob diese Grenzwerte als Schutz ausreichen, wenn auch noch andere Gefährdungsfaktoren als die bisher bekannten eine Rolle spielen. Wissenschaftler verweisen auf die noch wenig erforschten biologischen Effekte durch diese Strahlung. Die Befürchtungen reichen von vorübergehenden, leichten Beeinträchtigungen der Gesundheit bis hin zu einem erhöhten Krebsrisiko.

"Es kommt darauf an, der Politik möglichst genau zu vermitteln, wie belastbar solche Befürchtungen sind. Erst dann", so Dr. Johannes Mertens von MUT, "ist es der Politik möglich zu entscheiden, ob und wie das Vorsorgeprinzip angewendet werden soll." Dazu gibt es demnächst Gelegenheit: Die 26. Bundesimmissionsschutzverordnung, in der die bestehenden Grenzwerte festgelegt sind, soll von der Bundesregierung novelliert werden.

In Bayern hoffen die Politiker nun, dass sie mit dem als Handlungsgrundlage ausgewählten Jülicher Konzept eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung der Probleme gefunden haben.

Der Endbericht zum Vorsorge-Projekt steht im Internet unter der Adresse: http://www.umweltministerium.bayern.de/bereiche/mobilf/vorsorge.htm

Letzte Änderung: 19.05.2022