3 Fragen an Tommaso Calarco

Jülich, 8. März 2021 – Der Quantenphysiker Tommaso Calarco vom Forschungszentrum Jülich ist ein Spezialist für das Optimieren von Quantenprozessen. Gemeinsam mit Forschenden der TU Wien ist ihm nun ein Kunststück gelungen, das lange nur mit Photonen möglich war: die Herstellung von quantenverschränkten Atomstrahlen. Im Gespräch erklärt er, welche Anwendungsmöglichkeiten die neue Methode mit sich bringt.

Prof. Dr. Tommaso Calarco
Prof. Dr. Tommaso Calarco, Direktor am Peter Grünberg Institut, Institutsbereich „Quantum Control“ (PGI-8)
Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

Herr Professor Calarco, letzte Woche hatten Sie ein neues Tempolimit für den Transport von Quanteninformationen mit Atomen veröffentlicht, kurz danach erschien Ihre Studie zur Verschränkung von Atomen – ein Zufall?

Ja, es ist tatsächlich purer Zufall, dass diese beiden Ergebnisse jetzt beinahe gleichzeitig entstanden sind. Auch diesen Experimenten in Wien ging eine jahrelange Vorbereitung voraus. Der entscheidende Punkt ist, dass es uns gelungen ist, nicht nur einzelne, sondern wirklich viele Atome zu verschränken und zielgerichtet auszusenden. Obwohl sich die Atome voneinander entfernen, ist ihr Zustand aufgrund der Quanten-Verschränkung weiter voneinander abhängig. In dieser Form war das bis jetzt nur mit Photonen möglich.

Welche Möglichkeiten eröffnet die neue Methode?

Prinzipiell handelt es sich hier natürlich erst einmal um ein Ergebnis aus der Grundlagenforschung. Einerseits will man natürlich analoge Systeme realisieren wie mit Licht, um die Phänomene mit einem anderen System, nämlich mit Atomen, zu realisieren. Andererseits gibt es ja bereits Atomlaser, die kohärente Strahlen mit Atomen erzeugen, die alle die gleiche Geschwindigkeit haben und sich kohärent bewegen. Anwendungen dafür gibt es zum Beispiel in der Interferometrie, wo man winzige Felder misst. Im Prinzip sind damit äußerst genaue Sensoren möglich, etwa für Navigationssysteme, die sich durch die Verschränkung noch weiter verbessern ließen. Atome haben außerdem andere Eigenschaften als Photonen.

Was ist an Atomen so besonders?

Photonen haben zum Beispiel keine Masse. Die Schwerkraft ist ihnen vollkommen egal, daher kann man sie auch nicht direkt zur Messung der Schwerkraft verwenden. Aber mit Atomen wäre das möglich, weil die eine Masse haben; und mit kohärenten Massezustände in Form von verschränkten Atomen ließe sich die Schwerkraft noch genauer messen. Es gibt ein französisches Quanten-Startup, Muquans, das entwickelt bereits Gravimeter basierend auf Atomen. Bis jetzt wird dafür noch keine Verschränkung genutzt, aber ich bin mir ziemlich sicher, mit verschränkten Atomen hätte man zusätzliche Vorteile.

Fachmeldung vom 8. März 2021: Zwillingsatome: Eine neue Quelle für verschränkte Teilchen

Letzte Änderung: 19.05.2022