Effiziente Eisenfänger

18. April 2024

Experimente mit Neutronen- und Röntgenstrahlung geben molekulare Einblicke in den Eisenstoffwechsel von Meeresbakterien

Das Cyanobakterium Prochlorococcus ist das kleinste und am häufigsten vorkommende Lebewesen der Welt, das Photosynthese betreibt. Und es besitzt noch eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft: Im Laufe der Evolution hat es einen genetisch besonders effizienten Weg gefunden, lebenswichtiges Eisen aufzunehmen und zu speichern. Es besitzt ein multifunktionales Protein, das dank eines molekularen Schalters sowohl zweiwertige (Fe2+) als auch dreiwertige (Fe3+) Eisen-Ionen binden kann. Mithilfe von Neutronen-, Röntgen- und Synchrotronexperimenten hat ein internationales Forscherteam mit Beteilung des Forschungszentrums Jülich nun erstmals den molekularen Mechanismus sichtbar gemacht.

Elektronenmikroskopische Aufnahme von Prochlorococcus marinus. Copyright: Luke Thompson from Chisholm Lab and Nikki Watson from Whitehead, MIT – CC0)

Das Meer ist das größte Ökosystem der Erde. Darin lebende Organismen, die Photosynthese betreiben, produzieren etwa die Hälfte des Sauerstoffs auf der Erde. Gleichzeitig sind sie eine wichtige Kohlenstoffsenke im Kampf gegen den Klimawandel. Jedes Jahr binden sie insgesamt 45 Giga-Tonnen Kohlenstoff. Photosynthetische Bakterien sind dabei einer der Hauptakteure, das Cyanobakterium Prochlorococcus hält mehrere Rekorde auf diesem Gebiet: Mit einem halben Mikrometer Durchmesser – das entspricht einem halben Millionstel Meter – ist es der kleinste photosynthetische Organismus der Erde. Es produziert vier Gigatonnen gebundenen Kohlenstoff pro Jahr, was der jährlichen Nettoprimärproduktion der weltweiten Landwirtschaft entspricht. Seine photosynthetische Aktivität hängt jedoch von Eisen ab, und das ist im Ozean nur begrenzt vorhanden.

Biologisch relevantes Eisen kann in der Natur in zwei verschiedenen Oxidationsstufen vorkommen, als zwei- oder dreiwertige Eisen-Ionen, Fe2+ und Fe3+ – also als geladenes Atom, das zwei oder drei Elektronen abgegeben hat. Die meisten Organismen und auch Cyanobakterien besitzen in der Regel zwei verschiedene Proteine, um diese verschiedenen Oxidationsstufen aufzunehmen. Nicht so Prochlorococcus, dasbeide Formen des Eisens durch ein einziges Protein binden kann.

Die Forscher vermuten, dass diese Doppelfunktion ein wichtiger Grund für den ökologischen Erfolg ist und mit dem kompakten Genom von Prochlorococcus zusammenhängt. Da dieses Meeresbakterium so winzig ist, verfügt es nur über ein stark reduziertes Erbgut und muss daher mit einer begrenzten Anzahl von Genen auskommen, die in unterschiedliche Proteine übersetzt werden könnten.

Bindung von Eisen im eisenbindenden Protein FutA. Eisen ist als Kugel in Rostrot dargestellt. Die blau dargestellten Aminosäureseitenketten und ein Wassermolekül - im Bild unten - binden an das Eisen. Das Neutronenexperiment hat gezeigt, wo sich die Wasserstoffatome befinden, was durch ein Gittergeflecht aus grünen Linien eingehüllt dargestellt wird. Die Kohlenstoffatome sind als hellblaue und die Sauerstoffatome als rote Kugeln dargestellt. Der Stickstoff ist als dunkelblaue Kugel gezeigt und der Wasserstoff als weiße. Copyright: Diamond Light Source / Rachel Bolton

Eine internationale Forschergruppe um Prof. Dr. Ivo Tews von der Universität Southampton konnte nun erstmals den Mechanismus aufzeigen, über den Prochlorococcus die beiden verschiedenen Formen von Eisen aufnimmt. Dabei entdeckten sie einen molekularen Schalter, der es dem Bakterium ermöglicht, zwischen der Bindung von zwei- und dreiwertigen Eisen-Ionen hin und her zu schalten. Das sogenannte FutA-Protein erfüllt zudem noch eine weitere Funktion. Es ist im Bakterium nicht nur für die Aufnahme, sondern auch für den Schutz des bereits aufgenommenen Eisens zuständig.

Kombination von Röntgenstrahlen, Neutronen und Spektroskopie

Die Entdeckung wurde möglich durch eine neuartige Kombination von Experimenten. Die Forscher haben Röntgenstrahlen, Neutronenstrahlen und Lichtabsorption eingesetzt, um die Eisenbindung zu verstehen. Zudem nutzten sie Röntgenstrahlung, um zwischen den beiden Formen des Eisens wechseln zu können. In mehreren Experimenten, die an der Diamond Light Source und auch an einem Röntgenlaser in Japan durchgeführt wurden, haben die Forscher die Position der Atome bestimmt – mit Ausnahme der Wasserstoffatome. Deren Anordnung ließ sich erst mithilfe von Neutronenstrahl-Experimenten sichtbar machen.

Experimente mit Neutronenstrahlen an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) in Garching halfen so, den Ladungszustand des Eisens zu verstehen.

Dr. Tobias Schrader vom Jülich Centre for Neutron Science (JCNS). Copyright: Bernhard Ludewig, FRM II /TUM

„Das Diffraktometer BIODIFF, das wir hier vom Forschungszentrum Jülich aus gemeinsam mit der Technischen Universität München betreiben, ist darauf spezialisiert, die Position der Wasserstoffatome in solchen großen Molekülen zu ermitteln“, erklärt Dr. Tobias Schrader vom Jülich Centre for Neutron Science (JCNS). Daraus berechneten die Forschenden die Ladungen der Aminosäure-Seitenketten im Protein, die sich um das Eisen herum befinden. Diese lassen dann wiederum Rückschlüsse auf die die Ladung des Eisens zu.

"Einen Kernreaktor zu benutzen, um die Wasserstoffatome zu sehen, war für mich wirklich spannend. Sogar die Wasserstoffatome im Wasser waren deutlich sichtbar", berichtet Rachel Bolton, Doktorandin an der Universität Southampton, die die Experimente in Garching durchgeführt hat.

Originalpublikation

Rachel Bolton et al.
A redox switch allows binding of Fe(II) and Fe(III) ions in the cyanobacterial iron-binding protein FutA from Prochlorococcus
PNAS (2024), DOI: 10.1073/pnas.2308478121

Ansprechpartner

Dr. Tobias Erich Schrader

Instrument Scientist of the instrument BioDiff

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    Letzte Änderung: 18.04.2024