Wasserstoff Roadmap für Nordrhein-Westfalen 2045

Wissenschaftliche Begleitstudie der Wasserstoff Roadmap NRW

Ziel der bundesdeutschen Klimapolitik ist es, bis zum Jahr 2050 die Treibhausgasemissionen um mindestens 95% gegenüber 1990 zu reduzieren und somit weitestgehend Treibhausgasneutralität zu erreichen. Für das Erreichen einer nahezu treibhausgasneutralen Energieversorgung ist der Einsatz von Wasserstoff ein elementarer Baustein. Auf nationaler Ebene wurde von der Bundesregierung eine Wasserstoffstrategie formuliert, mit der die notwendigen technischen und ökonomischen Entwicklungen vorangetrieben werden. Diese Strategie gilt es, bundeslandspezifisch aufzulösen und zu detaillieren.

Vor diesem Hintergrund beauftragte das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (MWIDE) das Forschungszentrum Jülich mit der Durchführung einer wissenschaftlichen Begleitstudie, die vom Land NRW als eine Entscheidungsgrundlage und Orientierungshilfe für die Formulierung einer landeseigenen NRW Wasserstoff Roadmap genutzt wurde.

Folgende Leitfragen wurden in der Begleitstudie adressiert:

  • Welche Rolle spielt das Land Nordrhein-Westfalen in einem zukünftigen klimaneutralen Energieversorgungssystem in Deutschland?
  • Welche Transformationspfade und Handlungsfelder lassen sich für das Land NRW identifizieren, um die gesetzten Treibhausgasreduktionsziele zu erreichen? Welche No-Regret-Maßnahmen lassen sich identifizieren?
  • Welche Wasserstofferzeugungen und –nachfragen lassen sich für NRW identifizieren und quantifizieren? Wie muss eine adäquate Wasserstoffinfrastruktur ausgestaltet werden?
  • Welche Bedeutung besitzen innerdeutsche Wasserstofftransporte und internationale Wasserstoffimporte für eine Wasserstoffversorgung in NRW?

Für die Beantwortung dieser Fragen wurde wie folgt vorgegangen: In einem ersten Schritt wurde eine kostenoptimale Transformationsstrategie entwickelt, die aus nationaler Perspektive einen Weg zu einer treibhausgasneutralen Energieversorgung sowie einer zukünftigen Wasserstoffversorgung bis zum Jahr 2050 aufzeigt. Dieses Gesamtbild wurde genutzt, um in einem zweiten Schritt den Aufbau und die Kernelemente einer Wasserstoffversorgung in Nordrhein-Westfalen zu detaillieren und aufzuzeigen.

Wasserstoffnachrage in NRW im Jahr 2050 (Copyright: IEK-3)

Die Kernergebnisse der Studie sind wie folgt:

1.    Verschärfung der nationalen Treibhausgasminderungsziele für 2030 und 2040 erforderlich

Treibhausgasminderungsziele sind maßgebliche Treiber für die Umgestaltung der Energieversorgung. Die derzeit gesetzten Zwischenziele für die Jahre 2030 und 2040 tragen nicht zur notwendigen Entwicklungsdynamik bei. Vielmehr bewirken sie, dass Maßnahmen zu spät gestartet werden und induzieren sehr starke strukturelle Änderungen in der Periode von 2040 bis 2050. Eine Verschärfung der nationalen Zwischenziele für die Reduktion der Treibhausemissionen ist daher zwingend notwendig.

2.    Nationale Wasserstoffversorgung ist eine No-Regret-Maßnahme

Die Analysen zeigen, dass Wasserstoff ein unverzichtbarer Bestandteil einer zukünftigen nahezu treibhausgasneutralen Energieversorgung ist. Je nach Ausgestaltung liegt der nationale Wasserstoffbedarf im Jahr 2050 zwischen 9 und 13 Mio. t. Gegenüber der heutigen Nachfrage ist dies eine Steigerung um mehr als den Faktor 5. Diese Rahmenbedingungen sollten für den notwendigen Auf- und Ausbau einer Wasserstoffinfrastruktur berücksichtigt werden.

3.    Heute und morgen: Höchster Wasserstoffverbrauch in NRW

Schon heute wird ein Großteil des in Deutschland produzierten Wasserstoffs in NRW für industrielle Anwendungen eingesetzt. Dieser Trend wird sich auch zukünftig fortsetzen. Etwa ein Drittel der nationalen Wasserstoffnachfrage im Jahr 2050 wird in NRW nachgefragt. Von allen Bundesländern weist NRW die höchste Wasserstoffnachfrage aus.

4.    Industrieland NRW: Vielfältige Wasserstoffanwendungen

Die Szenarien zeigen zukünftig steigende Wasserstoffnachfrage der Industrie. Zum einen gilt es, grauen durch grünen Wasserstoff zu substituieren. Zum anderen sorgt die Umstellung von Industrieprozessen (z.B. Stahlerzeugung) für eine zusätzliche Wasserstoffnachfrage. Etwa die Hälfte des in NRW nachgefragten Wasserstoffs wird zukünftig in der Industrie eingesetzt.

5.    Verkehrsland NRW: Wasserstoff – ein wichtiger Baustein für eine klimaverträgliche Verkehrsstrategie

Die Analysen verdeutlichen, dass Wasserstoffanwendungen im Verkehrssektor in einem erheblichen Maße dazu beitragen können, Treibhausgasneutralität auch für den Verkehr zu erreichen. Für eine Einführungsphase spielt der Einsatz von Wasserstoff in Bussen und Zügen eine wichtige Rolle. Später gewinnt der Einsatz von Wasserstoff in Lkw und Pkw eine immer größere Bedeutung. Etwa die Hälfte des in NRW nachgefragten Wasserstoffs im Jahr 2050 wird durch den Verkehrssektor nachgefragt.

6.    NRW: Vom Exporteur zum Importeur

Über viele Jahrzehnte hinweg war das Kohleland NRW ein wichtiger Stromexporteur in Deutschland. Wegen des beschlossenen Kohleverstromungsausstiegs wird NRW zukünftig diese Rolle verlieren. NRW verfügt nicht über ausreichend geeignete Standorte für eine erneuerbare Stromerzeugung, um seinen Eigenbedarf zu decken. Nur etwa 10 % des in NRW nachgefragten Wasserstoffs wird im Jahr 2050 auch lokal in NRW produziert. Die Ergebnisse zeigen, dass für NRW neben dem Pipelinetransport von innerdeutsch erzeugtem Wasserstoff auch die Pipelineanbindung an die Niederlande als auch an mögliche Hafenstandorte zur Anlandung von importiertem Wasserstoff in Norddeutschland sinnvoll und wichtig ist.

7.    NRW: Zentrale Drehscheibe für eine nationale Wasserstoffversorgung

Etwa ein Drittel der nationalen Wasserstoffnachfrage entfällt zukünftig auf NRW. NRW nimmt damit eine zentrale Stellung im Kontext einer zukünftigen nationalen Wasserstoffversorgung ein. Vor diesem Hintergrund und aufgrund seiner geografischen Lage kann ausgehend von NRW durch eine Verknüpfung zu Produktions- und Importquellen an der Nordseeküste und den Niederlanden zusätzlich ein Mehrwert für die Regionen in Südwestdeutschland geschaffen werden. Um der tragenden Rolle als Drehscheibe einer nationalen Wasserstoffversorgung gerecht zu werden, sollte die Architektur und das Design einer zukünftigen Wasserstoffinfrastruktur über die Landesgrenzen von NRW hinaus gedacht und angelegt werden.

8.    NRW: Bestehende Energieinfrastruktur zukunftsweisend nutzen

NRW verfügt heute über eine hervorragende Energieinfrastruktur (z.B. Strom- und Erdgasnetze, Gasspeicher), die auch für die zukünftige Energieversorgung das Rückgrat sein sollte. Um die Kostenreduktionspotenziale für die sukzessive Umstellung von Erdgaspipelines und bestehender Salzkavernen maximal erschließen zu können, sollte die Nutzung der bestehenden Infrastruktur während des Aufbaus der Wasserstoffversorgung priorisiert werden. Die Kopplung der Infrastrukturen Strom, Erdgas und Wasserstoff sind dabei integriert zu denken und entsprechend zu planen.

Weitere Details und Ergebnisse:

Letzte Änderung: 02.06.2022